Ein dritter großer Komplex auf der DMEXCO 2025 war die Frage, wie Marken ihre Präsenz auf verschiedenen Plattformen gestalten – und wie sie Unabhängigkeit von den Großen wahren können. Community lautete hier das Zauberwort: „Ihr müsst eine Community aufbauen!“ – dieser Appell schallte in diversen Vorträgen über die Bühnen. Warum? Weil eigene Communities eine Art Versicherung gegen schwankende Algorithmen und Reichweitenverluste sind.
In einer Welt, wo Google-Suchergebnisse durch AI-Overviews an Klicks verlieren und Social-Media-Plattformen ihre Regeln ständig ändern, ist eine loyale Kunden-Community Gold wert. Direkter Zugang zur Zielgruppe bedeutet direkte Daten, direktes Feedback und weniger Streuverluste. Für den Mittelstand, der oft keine riesigen Werbebudgets für Paid Reach hat, zahlt sich organisch aufgebaute Reichweite besonders aus. Seien es LinkedIn-Gruppen, Kundenforen oder lokale Events – wer seine Kundschaft als Community betrachtet, schafft Bindung und reduziert Abhängigkeiten.
Influencer-Strategien wurden in Köln ebenfalls unter diesem Blickwinkel diskutiert. Die Creator Economy wächst zum Milliardenmarkt, und viele Marken – auch B2B – setzen verstärkt auf authentische Inhalte von Nischen-Influencern oder Corporate Influencern. Letzteres heißt: die eigenen Mitarbeiter werden zu glaubwürdigen Markenbotschaftern. Gerade für Mittelständler ist das interessant, denn Expertise und Persönlichkeit aus den eigenen Reihen wirken oft vertrauenswürdiger als Hochglanz-Werbung.
Auf der DMEXCO berichteten z.B. Speaker, wie LinkedIn-Posts von Mitarbeitern erstaunliche Reichweiten erzielen können, wenn sie Know-how teilen (Stichwort Expert Branding). Mein Tipp: Identifizieren Sie in Ihrem Unternehmen ein paar kommunikative Köpfe und ermutigen Sie sie, aktiv zu posten oder zu bloggen – natürlich mit echtem Mehrwert, nicht nur Werbung. Dies zahlt auf Employer Branding und Leadgenerierung gleichermaßen ein.
Neue Plattformen und Kanäle: Die Messe zeigte auch, dass sich das Spielfeld erweitert. Retail Media – Werbung auf den Plattformen großer Händler – wurde als Toptrend bestätigt. Händler wie Amazon, Otto & Co. öffnen ihre Daten-Tresore und bieten Werbekunden die Möglichkeit, direkt am Point of Sale des Online-Shoppings präsent zu sein. Für Konsumgüterhersteller oder Marken mit Handelsprodukten ist das ein Must-Test-Kanal, der messbaren Abverkauf mit Markenbekanntheit vereint.
Daneben erlebt Connected TV (CTV) einen Boom: Die Verbindung von klassischem TV mit digitaler Präzision ermöglicht es, über Streamingdienste und Smart-TVs zielgerichtet Werbung auszuspielen. Ein Highlight am Rande: Netflix verkauft seine Werbeplätze jetzt über Amazons DSP – ein kaum vorstellbares Bündnis früher, das zeigt, wie Plattformen kooperieren, wenn es ums Werbegeschäft geht.
Digital Out-of-Home (digitale Außenwerbung) wiederum wird dank Programmatic Advertising immer flexibler und datengetriebener. Für Mittelständler heißt das konkret: Media-Mix diversifizieren. Prüfen Sie, ob Werbung auf Amazon, Zalando & Co. (Retail Media) für Sie sinnvoll ist, oder ob lokale Digital-Out-of-Home-Screens Ihre Zielgruppe erreichen. Die Eintrittsbarrieren sinken – oft lassen sich auch mit kleineren Budgets Tests fahren. Wichtig ist dabei immer: Konsistente Botschaften über alle Kanäle und ein gutes Measurement der Customer Journey, damit Sie wissen, was wirklich wirkt.
Ein weiteres Schlagwort in puncto Plattformstrategie war „Collaborate to Scale“. Bereits am Vortag der eigentlichen Messe trafen sich Vermarkter, Publisher und Tech-Anbieter, um über Standards und Kooperationen im Ökosystem zu sprechen. Der Tenor: Herausforderungen wie Daten-Silos, systemübergreifende Messbarkeit oder AI-Ethik lassen sich besser gemeinsam lösen.
Auch wenn solche Meta-Themen für einen Mittelständler erst mal weit weg klingen – sie sind wichtig. Warum? Wenn z.B. große Publisher gemeinsame Datenpools oder Login-Standards schaffen (siehe oben NetID), profitieren am Ende auch kleinere Werbetreibende. Oder wenn Plattformen sich auf gemeinsame Kennzahlen einigen, wird Ihr Multi-Channel-Reporting einfacher. Diese Entwicklungen sind indirekt Wegbereiter für effizienteres Marketing auf breiter Front.
Schließlich noch ein Blick auf das Thema Mut und Mindset, das sich durch alles zog: Der BVDW-Präsident Dirk Freytag fasste zusammen, dass auf der DMEXCO ein „Gefühl des Aufbruchs“ herrschte – die Branche ist bereit, mutige Schritte zu gehen. Für Sie als Entscheider im Mittelstand kann das als Einladung gesehen werden, ebenfalls mutig zu sein. Nicht jeder Trend passt sofort ins eigene Geschäft, aber die Bereitschaft auszuprobieren und Althergebrachtes zu hinterfragen, wurde zum Erfolgsfaktor stilisiert. Wer jetzt neue Technologien testet – seien es AI-Tools, neue MarTech-Plattformen oder innovative Werbekanäle – verschafft sich Lernvorsprünge.